Mittwoch, 7. Mai 2008

Stadtteilbüro im Bethanien in Gründung:

Der Projektezusammenhang NewYorck im Bethanien steht kurz vor der Legalisierung. Grund genug, sich darüber auszutauschen, wie der weitere Weg hin zu einem Sozialen Zentrum beschritten werden kann. Der durch die Besetzung eröffnete Raum bietet eine Infrastruktur für viele Gruppen im Kiez. So können problemlos und selbstorganisiert die Räume für Plena und Treffen genutzt werden, auch eine entsprechende Ausstattung für Malaktionen für Transparente, Technik (Beamer etc.) für Informationsveranstaltungen ist vorhanden.

Zur Zeit machen wir, das heißt die Initiative Zukunft Bethanien, uns Gedanken, ob wir unser Büro jetzt zu einem Stadtteilbüro, zu einem Büro für ungewöhnlichen Stadtteilprotest, mit anderen Gruppen zusammen ausbauen wollen. Wir haben hierzu innerhalb unsere Gruppe diskutiert und würden jetzt gerne mit anderen zusammen diese Diskussion weiterführen, um auch einen vielfältigeren Einblick zu bekommen. Natürlich ist die Idee eines Stadtteilbüros nicht neu, das Rad schon Jahrhundertelang erfunden und trotzdem bewegt viele von uns immer noch und immer der Slogan „Eine andere Welt ist möglich.“ Unbedingt! Leitende Fragen hierfür werden daher auch wie immer sein: "Wie sieht der Widerstand im neuen Jahrtausend aus? Ist die bisher angewandte Praxis veraltet? Oder gibt es heute politisch angemessenere Methoden? Das können wir nur herausfinden, wenn wir uns auch auf das Neue einlassen und nicht in Nostalgie verharren. Die Diskussion, was wir erreichen wollen, muss verknüpft werden mit der Diskussion, wie wir es erreichen wollen."

Um die Diskussion spannender zu machen werden wir hier unterschiedliche Personen zu Wort kommen lassen. Das Büro ist natürlich kein fertiges Projekt und wird es wohl auch nie sein. Daher wollen wir die Diskussion einfach mit unterschiedlichen Stimmen und Meinungen schon beginnen.

Karla: Wir bräuchten ein Büro, dass nicht etabliert ist und unkonventionell, nicht wie Quartiersmanagement. Ein Büro, wo Leute hinkommen können, ohne Angst vor Repression (Hartz IV etc. und Ämterschikane) und über ihre Probleme sprechen können. Eine unbefangene Anlaufstelle für den Kiez.

Giovanni: Es sollte ein linksradikales Büro sein und ein Servicebüro für Vernetzung. Also es müsste Material haben über lokale Kämpfe geben (bäume-ini/media-spree etc.) und so einen Überblick geben und die einzelnen Kämpfe in ihrer Abstraktion vermitteln. Insbesondere für Kampagnenarbeiten bietet es sich natürlich an, dass man Gruppen unterstützt. So ist es zur Zeit z.B. unbedingt notwendig, viele Gruppen auch für die Arbeit von MediaSpree versenken zu gewinnen, weil aus Friedrichshain-Kreuzberg sonst ein ganz anderer Kiez wird.

Liliane: Die New Yorck hat eine gewisse Szeneanbindung, daher werden nicht alle kommen. Man sollte hier so eine Art "Expert_innenenwissen" für Stadtteilthemen sammeln und weitergeben, also wie funktioniert Bürgerbegehren, eine Demo etc. oder ich ruf für Dich mal an oder hier ist ne Verteilerliste für Öffentlichkeitsarbeit. Im Grunde genommen werden dadurch sich entwickelnde Initiativen aktiv unterstützt. Sie bekommen Kontakt zu anderen Initiativen, es kann Ihnen Infrastruktur angeboten werden - Räume zum Treffen oder aber Computerarbeitsplätze etc – und dadurch tritt man natürlich in Konkurrenz zu einem Quartiersmanagement, dass die Gruppen nur einbinden will und politisch leiten. Hier müsste natürlich immer aufgepasst werden, dass man die Gruppen nicht in ihrer Struktur beeinflusst, sondern nur unterstützt. Wir haben ja in Kreuzberg immer mal wieder das Phänomen, dass sich Gruppen kurz konstituieren und dann wieder auflösen. Vielleicht kann man durch ein Stadtteilbüro auch Leute dann für eine kontinuierlichere Arbeit gewinnen, weil sie mit unterschiedlichen Thematiken dann auch in Berührung kommen. Es geht also um drei wesentliche Punkte: Um Information, also Anlaufstelle und sammeln von Material, um das unterstützen von Organisierung, natürlich ist das wie auch noch völlig offen und um Infrastruktur.

Johnny: Es soll ein politisches Stadtteilbüro werden. Hierfür brauchen wir noch zwei oder drei Gruppen, die für ihre eigene Arbeit z.B. an einem Tag den Raum und die Infrastruktur brauchen und gleichzeitig auch Lust haben sich zusätzlich noch in die Arbeit des Stadtteilbüros mit einzuklinken. Es muss sich dabei nicht nur um Stadtteilgruppen handeln, auch Antira-Gruppen/globalisierungskritische-Gruppen haben ja einen unmittelbaren Bezug zum Stadtteil, denn hier werden die Probleme ja unmittelbar sichtbar. Es sollten dann monatlich oder so auch Kieztreffen stattfinden, wo über die Themen gesprochen wird. Zunächst einmal bräuchte es die Infrastruktur und dann sollten wir mit unterschiedlichen Gruppen mal sprechen, um das Konzept zu diskutieren und mal schauen wie andere das so sehen. Ich fände es schön, wenn dadurch dann auch neue Themengebiete entstehen, also wie sieht es z.B. mit dem Umweltschutz oder dem Verkehr in Kreuzberg aus. Gibt es da nicht Möglichkeiten direkt zu intervenieren. Das Thema interessiert bestimmt viele Anwohner_innen, aber das wie der Umsetzung ist schwierig, weil es in der Vereinzelung bleibt. Wir müssen viele Leute ermutigen die Stadt als die Ihre anzusehen und unmittelbar Einfluss zu nehmen.

Sarah: Mir ist nicht ganz so klar mit welchen Gruppen wir dann konkret zusammenarbeiten können. Gibt es denn die, ist das Potential überhaupt vorhanden? Das müssen wir erst noch einmal genauer durchdenken.

Antonio: Wir sollten hier auch über unterschiedliche Spektren nachdenken. Also einerseits Leute einbinden, die Lust haben sich z.B. unabhängig von Parteien in die Ausschüsse zu setzen und die Informationen zu ziehen. Wir könnten z.B. fordern, dass die Bürgerdeputierten nicht mehr von den Parteien aufgestellt werden. Das ist doch absoluter Quatsch. Andererseits müssen wir natürlich unkonventionelle Protestformen stärken. Also Quartiersmanagement-Arbeit kritisieren, Demos machen, offene Briefe schreiben oder eben Häuser besetzen. Ich finde z.B. auch, dass so Resolutionen, wie die von der Rosa Rosé total gut sind, um überhaupt wieder befreit Gesellschaft zu denken und zu forden.

Johann: Ein Stadtteilbüro ist schwierig für alle umzusetzen. Es sollte zwar nicht in der linksradikalen Szene bleiben aber auch kein Sozialarbeiterbüro, weil wir hier die Kompetenzen gar nicht haben. Der Fokus liegat politischen Protest immer unterstützen und vermitteln, also immer eine Anbindung an politischen Protest unabhängig von herrschenden Strukturen bieten. Es gibt nicht soviele Gruppen, daher sollte man es an konkreten Menschen festmachen, die bereit sind da sozusagen als Experiment über z.b. 6 Monate das mal versuchen und Energie reinstecken. Ich finde schon, dass wir von der IZB, da zunächst einmal Verantwortung übernehmen sollten für die Infrastruktur und für das Anstossen etc.. Dann entwickelt sich was oder wir müssen das noch einmal überdenken. Es sollte halt immer wichtig sein, Aufklärung zu betreiben über die sozialen Rechte der Leute, die Probleme im Stadtraum auch sichtbar zu machen.

Marc: Wir sind ja nicht die ersten, die sich mit dem Gedanken rumschlagen, auf Stadtteilebene politisch tätig zu werden. Nicht nur in Berlin und in anderen Städten hierzulande gibt es Erfahrungen, aus denen wir lernen können. Auch in anderen Ländern und politischen Bereichen gibt es die. Aufzuzählen wären z.B. der Advisory Service for squatters in London, die Oficinas de Derechos Sociales in Spanien, die Strategie des Organizing von US-Gewerkschaften, die Arbeit von Sozialen Zentren in Italien. Ichfände es gut, wenn ganz am Anfang, bevor wir zum Stadtteilbüro-Alltag übergehen, Runden und Diskussionen zur Reflektion solcher Erfahrungen gäbe, um zu sehen, wie wir uns aus eingefahrenen und oft wenig erfolgreichen Bahnen hinausbegeben und politisch aussichtsreiche Wege einschlagen können. Einige mögliche Projekte könnten z.B. sein, die Pflege der Homepage Kreuzberg-info und daraus dann auch eine Stadtteilzeitung, ein Infobüro für Kontakte mit festen Öffnungszeiten, Arbeitsplätze für Gruppen und natürlich immer auch bei bestimmten Kampagnen wie Mediaspree oder Bündnisse dann natürlich auch ein zeitweises Kampagnenbüro.

Robert: Der Raum ist zu klein für ne Stadtteilbibliothek oder so, da wäre das sofa - das interkulturelle Anwohner_innenforum - geeigneter. Es soll aber auch nicht unbedingt ein Servicebüro werden sondern einfach Infomaterial haben und Vernetzung der Selbstorganisierung bringen, dass heisst auch auf verantwortlichen Strukturen beruhen. Das schliesst dann natürlich auch viele Leute aus. Wir sollten mal mit kleineren Sprechstunden anfangen, um dann auch mögliche Themengebiete zu erkunden. .

Meret: Es wäre schade, wenn es nur ein Stadtteilbüro wird, es sollte ein offenes Büro werden, wo sich auch unterschiedliche Themengebiete treffen, mehr im sinne eines offenen Büros mit Austausch und Begegnung.

Gabriele: Der Stadtteil ist eine Verdichtung von gesellschaftlichen Problemen. Während im Bethanien ja ganz verschiedene Gruppen die ganze Bandbreite gesellschaftlicher Probleme auf ganz unterschiedlichen Ebenen angehen, läge der Fokus des Stadtteilbüros ganz klar auf dem Kiez. Den Stadtteil würde ich aber nicht als abgeschlossenen Lebensraum, und schon gar nicht als Gemeinschaft fassen, sondern als Ort, in dem gesellschaftliche Probleme und Konflikte lokal erfahrbar sind und erfahren werden. Mietsteigerungen, Umstrukturierungsmaßnahmen, Verdrängungsprozesse, Verkehrsmaßnahmen, Bezirkspolitik, Freiräume usw. sind Themen, in die sich ein Stadtteilbüro einmischen kann uns soll, die aber nicht bloß auf Stadtteilebene verhandelt werden können. Ich sehe also drei generelle Aufgaben. Erstens die Arbeit politischer Gruppen auf den Stadtteil zu richten, in dem Sinne "globale" Probleme runterzubrechen. Zweitens Konflikte und Proteste im Kiez an andere gesellschaftliche Ebenen zurückbinden - denn die Probleme lassen sich in den seltensten Fällen auf Stadtteileben lösen - erfolgreiche Kämpfe gegen Verdrängung beispielsweise verschieben das Problem nur in andere Straßenzüge. Und Probleme im Stadtteil haben nicht nur mit "Stadt" zu tun. Wichtige Betätigungsfelder wären daher u.a. auch Prekarisierung, Illegalisierung, Bildung. Drittens das Stadtteilbüro sollte nicht ein weiterer Ort (nur) für linke/linksradikale Gruppen sein. Davon gibt es meiner Meinung nach nicht zu wenige. Vielmehr sollte es darum gehen, auch andere Gruppen und Einzelpersonen anzusprechen, breitere Proteste zu unterstützen und auch von ihnen zu lernen. eswegen halte ich es für falsch, von Anfang an einen zu hohen Anspruch an Gruppen oder Kämpfe zu stellen, die im Stadtteilbüro eine Rolle spielen sollen. Es kann nicht immer gleich absolut basisdemokratisch, herrschaftskritisch, 100-%-emanzipatorisch zugehen. Es wäre auch fraglich, ob das beispielsweise bei uns so ist.


Nach der Diskussion haben wir dann versucht einige Hauptpunkte zu benennen, die uns wichtig erschienen.

*Es soll ein politisches Stadtteilbüro werden*

Natürlich wollen wir zunächst einmal politisch intervenieren, Diskussionen anregen, Kritik sichtbar machen und zur Kritik anregen. Daher kann es sich nur um ein politisches Stadtteilbüro handeln, denn weder für ein Sozialarbeiter_innenbüro sind die enstprechenden Ressourcen vorhanden, noch kann dadurch die Realität politisch beeinflusst werden, was ja unser Interesse ist.

*Es soll die Organisierung unterstützen*

Viele Initiative enstehen, machen einzelne Proteste sichtbar und verschwinden wieder. Das Stadtteilbüro kann also zunächst Ablaufstellte für Kontakte, Informationsmaterial sein und z.B. auch eine Kontaktdatei aufbauen und bei der Öffentlichkeitsarbeit behilflich sein, um Diskussionen anzustossen. Es unterstützt dadurch auch die Idee der Organisierung und muss also viele Menschen durch Diskussionsprozesse Lust machen, sich selbst einzumischen. In der New Yorck gibt es ja auch die Infrastruktur dass dann konkret mit anderen umzusetzen. Also Räume für Gruppentreffen, Räume für Veranstaltungen, Materialien, Postadresse für Gruppen, PC-Arbeitsplätze, Mal-und Bastelsachen und und und. Das Büro funktioniert also nur zusammen mit der vorhandenen Infrastruktur. Es sollte mal mit festen Bürozeiten beginnen.

*Es soll offen sein*

Das Stadtteilbüro sollte nicht ein weiterer Ort (nur) für linke/linksradikale Gruppen sein. Vielmehr sollte es darum gehen, auch andere Gruppen und Einzelpersonen anzusprechen, breitere Proteste zu unterstützen und vor allem auch von ihnen lernen. Deswegen ist es auch falsch zunächst einen zu hohen Anspruch an Gruppen oder Kämpfe zu stellen, die für ein Stadtteilbüro eine Rolle spielen sollten. Es kann nicht immer gleich absolut basis-demokratisch, herrschaftskritisch, 100-%-emanzipatorisch zugehen. Das heisst es sollte auch eine gewisse Bereitschaft da sein, verschiedene Gruppen zu unterstützten, nicht aber in ihre Struktur einzugreifen. Dadurch ergeben sich dann ja auch neue Perspektiven.

*Es soll soziale Probleme im Stadtteil sichtbar machen*

Die ganze Bandbreite gesellschaftlicher Probleme liegt natürlich auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Der Fokus im Stadtteilbüro liegt allerdings ganz klar im Kiez, wo gesellschaftliche Probleme und Konflikte lokal erfahrbar sind und erfahren werden. Die Gruppen sollten daher auch Interesse haben "globale" Probleme auf den Stadtteil runterzubrechen und Konflikte und Proteste im Kiez an andere gesellschaftliche Ebenen zurückbinden - denn die Probleme lassen sich in den seltensten Fällen lassen sich die Konflikte auf Stadtteileben lösen - erfolgreiche Kämpfe gegen Verdrängung beispielsweise verschieben das Problem nur in andere Straßenzüge oder Stadtteile. Natürlich sollte die Verknüpfung von Kämpfen auch dazu führen mutige Forderungen oder Resolutionen aufzustellen, um die Stadt als Lebensraum von sich aus neu zu definieren, also in dem Sinne wir denken Kreuzberg selbstbewusst als „autonome Republik“.

*Es lebt mit dem sozialen Zentrum im Bethanien*

Das Stadtteilbüro lebt natürlich auch und ist nur durch ein soziales Zentrum Bethanien denkbar, denn hier findet sich auch die entsprechende Infrastruktur. Das bedeutet auch, dass sich die Gruppen, die mitmachen wollen, auch auf die Umgebung einlassen können, denn natürlich gibt es auch niederschwelligere Varianten. Es setzt eine gewisse Eigenständigkeit und Selbstverantwortung voraus, denn hier gibt es halt nicht die Chefin, die einem sagt, was zu tun ist. Dafür lebt das Stadtteilbüro auch von der vorhandenen Möglichkeiten, sich mal eben schnell zu treffen, kurz ein Plakat zu malen und Leuten zu begegnen. Möglichst bunt, möglichst Vielfältig und möglichst diskursiv, denn eine andere Welt ist schliesslich möglich. Unbedingt!

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