Hier ein Beitrag zum Auftakt des Sonderausschusses von Benedict Ugarte Chacón, der auf AbrissBerlin erschienen ist.
Zahnloser Tiger
Der Sonderausschuss „Spreeraum“ der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg (BVV) schließt an das erfolgreiche Bürgerbegehren „Spreeufer für alle“ an, welches sich gegen die von Senat, Bezirk und „Investoren“ beabsichtigte Spreeraumbetonierung wandte. Immerhin 30 000 Bürger und Bürgerinnen erteilten dem Vorhaben „Mediaspree“ in einem Bürgerentscheid mit ihrem Votum eine Absage.
Im Ausschuss sollen unterschiedliche Akteure gemeinsam über die Zukunft des Spreeraums diskutieren – mehr aber auch nicht, denn die höchstmögliche Auschuss-Produktion können lediglich Empfehlungen an die BVV sein. Keinesfalls trifft der Ausschuss irgendwelche Entscheidungen. Es handelt sich beim Sonderausschuss also um einen „zahnlosen Tiger“, wie es ein Mitglied während dessen erster Sitzung auf den Punkt brachte. Damit wäre eigentlich auch schon alles zu diesem Vorhaben gesagt, böte der Ausschuss nicht ein kleines Sittenbild dessen, was sich Realpolitik nennt.
Im Ausschuss sitzen Vertreter aller Fraktionen der BVV sowie vier Bürgerdeputierte der Initiative „Mediaspree versenken“, die das Bürgerbegehren angestrengt hatte. Die „Investoren“ waren zwar ursprünglich zur Teilnahme eingeladen, haben aber keine Lust, ihre Bauvorhaben öffentlich zu diskutieren und beteiligen sich somit nur dann am Ausschuss, wenn man sie herzlich und gebeugt einzuladen beliebt. Stefan Sihler, Geschäftsführer der Textilladenpassage „Labels II“ und Sprecher der „Mediaspree“-„Investoren“, war eingeladen. Von seiner eigenen Wichtigkeit beschwipst, schickte er eine angesäuerte Absage, da die Arbeitsweise eines BVV-Ausschusses nicht so recht nach seiner Nase geht.
Zunächst wurden einige Geschäftsordnungsangelegenheiten geklärt. Dabei tat sich der mit bürokratischen Apparaten erfahrene DIE LINKE-Verordnete Joachim Pempel besonders hervor. Die Bürgerdeputierten der Initiative bekamen gleich zu Beginn mitgeteilt, dass sie „keine besondere Position“ einnähmen, sondern nur vier Hansel seien, die eben die Stühle wärmten – auch wenn mehrere Verordnete mehrmals auf „vertrauensbildende Maßnahmen“ verwiesen, die sie gegenüber den Bürgerdeputierten anzustrengen bereit wären.
Vertrauensbildend wollten die Verordneten aber insbesondere für „Investoren“ sein. So betonte zum Beispiel der DIE LINKE-Verordnete Lothar Schüßler, dass die „Investoren“ ja nur gerne in den Ausschuss kämen, wenn ein gewisses Maß an „Vertraulichkeit“ garantiert sei. Dies würde bedeuten, die Öffentlichkeit aus dem Ausschuss, der ja die Bürgernähe des Bezirksparlaments verdeutlichen soll, auszusperren. Es geht aber noch blöder: Michael Schill von der CDU schlug vor, den „Investoren“ einfach einen Sitz im Ausschuss anzubieten. Dass das nach der Geschäftsordnung nicht spontan geht, Herr Schill dennoch so einen Vorschlag machte, lässt Rückschlüsse auf die Kompetenz dieses Volksvertreters zu.
Hauptpunkt der Sitzung war die Diskussion mit dem Geschäftsführer der landeseigenen BEHALA GmbH, Peter Stäblein. Dieser wurde nicht müde, zu betonen, dass er ein Kaufmann sei und dass es sich bei der BEHALA zwar um ein landeseigenes, aber dennoch irgendwie auch um „sein Unternehmen“ handle. Den aufklärenden Worten folgte ein langatmig und mäßig eloquent gehaltenes Referat des Initiativen-Sprechers Carsten Joost, in welchem er an Hand von Bildern einige aus so genannten Ideenwerkstätten resultierende Alternativen für die Bebauung des Osthafen-Geländes vorstellte. Dass die hier vorgeschlagenen Grünflächen mit Erholungsfaktor ebenfalls zur Mietsteigerung in der Umgebung und zum Zuzug von Yuppies führen könnten, blendete Joost aus. Stäblein brachte diesen Hinweis, stellte die banale, aber gute Frage, wer denn diese Vorstellungen bezahlen solle und verwies zudem darauf, dass die BEHALA einige Grundstücke bereits verkauft habe. Was der jeweilige Käufer damit anstelle, sei nicht Sache „seines Unternehmens“. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht korrekt war die Weigerung Stäbleins, die Verkaufserlöse dieser Geschäfte zu nennen. Dies sei in Verträgen mit den Käufern festgeschrieben. Aus demokratischer Sicht ist diese Haltung jedoch recht schmuddelig, denn immerhin handelt es sich bei der BEHALA um ein landeseigenes Unternehmen, also um Eigentum der Allgemeinheit. Die mehrfache Beteuerung Stäbleins, man habe die Grundstücke „nicht verschleudert“, lassen Berlin-Sumpfiges erahnen. Besonders vor dem Hintergrund, dass Stäblein sich auf wiederholte Nachfrage weigerte, die Namen der „Investoren“ zu nennen. Der Ausschussvorsitzende Gumbert Salonek (FDP) wusste auch keine Namen. Dies ist bemerkenswert, denn wie will ein Ausschuss alle Akteure – auch „Investoren“ – an einen Tisch bringen, wenn er deren Namen nicht kennt?
Alles in Allem ging es in dieser ersten Ausschusssitzung überaus behäbig zu. Bei der Routine, die sich bei Bezirksverordneten mit den Jahren einstellt, ist das nicht verwunderlich. Die vormals bunt und laut auftretenden Initiativen-Vertreter allerdings boten da schon ein kümmerliches Bild. Drei der vier Vertreter schwiegen sich hasenfüßig durch die Sitzung, einer meldete sich hin und wieder zaghaft zu Wort. Und dann nicht einmal mit bahnbrechenden Vorschlägen, sondern zum Beispiel mit der Bitte, ob denn die BEHALA nicht so nett sein könnte, die Anzeigen wegen Hausfriedensbruch gegen einzelne Vertreter der Initiative wieder zurückzunehmen.
So versenkt sich eine erfolgreiche Bürgerinitiative.
Weitere Berichte:
Investoren untergraben den Bezirk - taz vom 9.10.08
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Pressemitteilung Bündnis 90/die Grünen: Senat schafft Fakten am Spreeufer
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